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Das blaue Band

Matthias Albrecht, artists unlimited

(...) Garlichs bearbeitet vorhandene Räume. Räume als architektonische Körper sind hier Ausgangspunkt für Eingriffe, für Veränderungen durch die Kunst. (...)
Eine Struktur aus blauem Nylonfaden zieht sich durch die drei Galerieräume. Ein wenig erinnert sie an eine Pfeilstruktur, die etwa in einem Parkhaus den Weg zum Ausgang weisen könnte. Garlichs selbst sagt Ornament dazu. Die Struktur basiert auf einem Raster von 15 mal 15 Zentimetern, das ist die Größe einer ganz gewöhnlichen Wandfliese (zumindest bis in die 70er Jahre war das die Norm). Dieses Raster wurde auf die Wand übertragen, an den Kreuzungspunkten des Rasters hat Burchhard Garlichs Nägel in die Wand geschlagen, die dann den Nylonfaden aufnehmen bzw. leiten. Das Ornament beginnt im unteren Drittel der Wand und endet im letzten Raum an der Decke. Einzig der Fußboden wurde aus praktischen Gründen ausgespart.

Weil der Faden bis auf wenige Ausnahmen immer eine Nagellänge Abstand von der Wand hält, kann sich für das Auge der Eindruck ergeben, dass es einen flachen Körper sieht, der auf der Wand aufliegt oder gar zu schweben scheint. Mit den einfachsten Mitteln passiert das. „Ständige Wahrnehmung von geraden Linien, Parallelen, rechten Winkeln, führt zu gradlinigem, parallelem, rechtwinkligem Denken.“, sagt Burchhard Garlichs. Er begreift Architektur grundsätzlich als Raumornamentik. Das bezieht sich darauf, dass Architektur immer schon Räume strukturiert. Ornamente sind eine weitere Struktur auf dieser Struktur. Burchhard Garlichs ist daran gelegen, die geometrische Strenge, die wir in der Regel in der Architektur finden, aufzubrechen, sie aufzulockern, mit dem Ziel, am Ende auch unsere eigene Wahrnehmung, unser Denken aufzulockern. Ein temporäres Ornament gibt uns die Möglichkeit, Räume neu zu sehen. (...)

Das System der Kunst schneidet das der Wissenschaft, sagt Garlichs weiter. Die ornamentale Struktur überlagert die Struktur, die aus der Wissenschaft kommt. Wobei man hier sogar ganz im System der Wissenschaft bleiben könnte, denn der Künstler nutzt ja mit dem Rasterprinzip ein Mittel aus der Geometrie bzw. der Mathematik. Besonders interessant ist für Burchhard Garlichs das System dort, wo unser Denken nicht mehr mitkommt, wo das System aufgrund seiner eigenen Gesetzmäßigkeiten undurchschaubar wird: An mehreren Stellen knickt das Ornament im 90 Gradwinkel ab. Dort kann nur ein sehr geübtes Auge noch das Muster der ursprünglich gesehenen Pfeilstruktur im Gewirr der Fäden ausmachen. Ich nenne diese Punkte die „Fenster“, weil sich dort eine Struktur ergibt, die einem Fensterkreuz ähnelt.
Burchhard Garlichs ist also nicht etwa gegen Architektur. Gleichwohl will er sie verändern, möchte, dass wir sie mit frischen Augen ansehen, letztlich mit dem Ziel, dass unser Denken ein anderes werde, vielleicht: ein weniger rationales, auf jeden Fall aber: ein weniger starres, weniger rigides. Letzlich ein humanistischer Ansatz.

Auszug aus der Eröffnungsrede von Matthias Albrecht, Kunsthalle Bielefeld, für die Ausstellung von Marion Lehmann und Burchhard Garlichs in der Galerie und den Räumen von Artists Unlimited, Bielefeld.